Der einfache Laden ist ein kleiner Raum mit Theke und Regalen und mit noch einem kleinen Raum dahinter. Man kann von draußen reinsehen. Das Angebot ist nicht immer gleich. Es gibt vor allem Dinge des täglichen Bedarfs. Aber es gibt nicht alles in zig Varianten. Was es gibt, ist gute, faire Qualität. Da es ein einfacher Laden ist, hat er vor allem Dinge für ein einfaches Leben im Angebot. Grundlegendes. Grundnahrungsmittel. Reis, Mehl, Obst und Gemüse, Salz, Öl, Kaffee, Milch und eine Alternative. Dann Zahnpasta und eine Seife, ein Waschmittel, Toilettenpapier.


Es gibt eine kleine Auswahl Brot und einen selbstgebackenen Kuchen. Wenn der weg ist, ist er weg. Es gibt bis 12h Espresso und heisse Milch, aber nur im eigenen Becher, es gibt einen Preis, die Mischung macht man selber. Ab 12h gibt es ein selbstgekochtes Essen. Auch zum mitnehmen, aber auch nur im eigenen Behälter. Wenn das Essen aufgegessen ist, ist es alle. Manchmal ist es um 14h aus, manchmal erst am abend. Das Essen ist vegetarisch, und aus biologischem Anbau. Das sind die einzigen Regeln in dem Bereich. Es gibt jeden Tag eine Liste, auf der steht, was drin ist. Manchmal ist es vegan, manchmal ist es frei von diesem oder jenem, aber das ist nicht reguliert. Es steht nicht im Internet, was es heute im einfachen Laden zu essen gibt. Der Einfache Laden ist überhaupt nicht im Internet und hat auch keine Google Rezensionen. Die Leute sehen den Laden, und wenn es ihnen dort gefällt, kommen sie wieder und erzählen ihren Bekannten davon. Wem es nicht gefällt, der kommt nicht wieder.


Die Einrichtung im Einfachen Laden ist gebraucht: vom Flohmarkt, eBay Kleinanzeigen, etc. Die Dinge sind schlicht und fast nie aus Plastik. Geschirr und Besteck sind aus dem Diakoniekaufhaus oder von den Emmaus-Brüdern. Aber alle Dinge sind auf ihre Art schön. Außer den Dingen des täglichen Grundbedarfs gibt es im Einfachen Laden auch ab und zu etwas besonderes, zum Beispiel ein paar Gläser Salzzitronen. Oder selbstgebackene Kekse. Oder eine Charge lokalen Honig oder Marmelade. Der Einfache Laden orientiert sich an den Jahreszeiten und ist regional ausgerichtet, was das Angebot angeht. Aber es gibt natürlich Tee aus Indien zum Beispiel. Der ist dann bio und fair. Der Einfache Laden versucht immer fair und nachhaltig zu handeln, im Rahmen des Bauchgefühls und des gesunden Menschenverstandes, undogmatisch.


Momentan kann es den Einfachen Laden in einer westlichen Großstadt nicht geben, denn der Einfache Laden hat auch ein einfaches Budget. Er hat keine Angestellten, er ist ein Familienbetrieb, oder ein Einpersonenunternehmen. Sein Umsatz ist einfach. Er hat kein Kassensystem, er macht alles bar. Die Inhaber des Einfachen Ladens geben viel von ihrer Energie für ihr Geschäft, für eine aufwändige Buchhaltung ist keine Zeit, und eine Großstadtmiete kann der Einfache Laden auch nicht erwirtschaften. Er ist nur möglich als informell wirtschaftender Betrieb, auf Vertrauensbasis, staatlich unreguliert. Er gibt einen Mehrwert. Er macht nicht reich an Geld, sondern er gibt Sinn und stiftet Gemeinschaft. Er nimmt niemandem etwas weg, er beutet nicht aus, er erzeugt wenig Müll, auch wenn er schließen müsste, hinterließe er nur Dinge, die es schon gab, und die man weitergeben kann. Der (fiktive) Staat muss den einfachen Laden nicht kontrollieren, denn er weiß, dass man mit so einem Laden nicht reich werden kann, und deshalb muss der Einfache Laden nicht täglich Kasse machen und ständig Zeugnis ablegen, er braucht keine Müll- oder Datenschutzgrundverordnung. Er arbeitet vertrauenswürdig und eigenverantwortlich. Weil er nicht kontrolliert werden muss, können Beamte sich um etwas anderes kümmern.


Manchmal hat der Einfache Laden zu. Manchmal hat er abends lange auf, manchmal nicht. Die Kunden wissen das, sie wissen auch, wo ein anderer Einfacher Laden ist, und laufen oder fahren dann da hin. Oder sie gehen mal in den nicht einfachen Supermarkt. Sie wissen, der Einfache Laden wird morgen wieder aufhaben, und weil sie dort gerne hingehen, werden sie wieder vorbeikommen. Ja, er ist ein bisschen wie der Tante-Emma-Laden, oder der 80er Jahre Bioladen. Ja, er hat auch etwas von einer Garküche. Natürlich gibt es Gründe, warum diese Art von Läden verschwunden sind. Sie waren unzeitgemäß, und seit ihrem Verschwinden (oder gleichzeitig damit, vielleicht sogar kausal damit zusammenhängend) sind die Regulatorien des Verkaufs von Waren und Essen so hochgefahren worden, dass in Kombination mit gestiegenen Mietpreisen einfache Läden nicht mehr eröffnet werden können, obwohl es vielleicht wieder mehr Menschen gibt, die sie schätzen würden. Galerien waren früher manchmal einfache Läden, auf gewisse Weise. Man hat ein Ladenlokal, das keiner wollte, und das deshalb sehr billig war, gemietet, ohne komplizierten, Jahrzehnte bindenden Geschäftsmietvertrag. Man hat den Raum dann mit Freunden weiß gestrichen, den Bodenbelag rausgerissen, und dann vielleicht mit denselben Freundinnen Ausstellungen gemacht. Manchmal war es auch eine Wohnung, es wurde nicht so streng kontrolliert, was da passierte. Am Ende des Tages und des Jahres gab es wenige Einnahmen und wenige Ausgaben, wenig Formalitäten und wenig Steuererklärung. Aber viel Mehrwert. Natürlich war da auch Potential zu wachsen. Es war eine Nische, ein ewiges, bewußtes Fliegen unter dem Radar. Es war ressourcenschonend und nachhaltig, weil man nichts verschwenden kann, wenn man einfach handelt. In einem einfachen Laden und einer einfachen Galerie macht jeder alles. Kochen, Bilder aufhängen, Klo putzen. Alles selber machen macht glücklich und achtsam. Sich mit einem einfachen Budget um viele komplizierte Formalitäten zu kümmern macht unglücklich, und nimmt der Inhaberin des einfachen Ladens die Lebensenergie und die begrenzten Ressourcen, um überhaupt einen einfachen Laden zu machen.


Ich kenne ein paar einfache Läden, die im Hintergrund die komplizierten Formalitäten stemmen oder auch nicht, vielleicht, weil sie seit 20 Jahren unter dem Radar fliegen. Ich suche sie, wo auch immer ich bin. Ich sammle sie. Ich fühle mich dort gut. Ich radle weite Strecken, um dort einzukaufen, oder einen Kaffee zu trinken. Und vor allem: Um mit den Menschen zu sprechen. Das macht mich glücklich.

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