Vor ein paar Jahren habe ich über meine Gewohnheiten beim Einkaufen nachgedacht und ausprobiert, wie es ist, wenn man über einen längeren Zeitraum nichts Neues kauft. Überlegung war, dass man sehr viele Dinge nicht im engeren Sinne braucht und man das, was man dringend benötigt, in der Regel auch gebraucht kaufen kann. Des weiteren kann man vieles reparieren oder ausleihen. Mir ging es vor allem auch darum, möglichst wenig Müll zu produzieren, obwohl ich schon immer eine Meisterin der Abfallvermeidung war und als Kind in einem Haushalt mit Komposteimer aufwuchs. Mein Spielzeug war oft von den Emmaus-Brüdern, Geld war knapp und die Kriegsgeneration meiner mich miterziehenden Großeltern war naturgemäß sparsam. Man hatte nichts „zu verschenken“.  In meiner Teenagerzeit in den 80ern war ich magisch angezogen von allen Arten von Alternativ-Kultur, somit auch von den Grünen, den Bioläden, autonomen Zentren. Alles, was Öko war hat mich interessiert, und Köln war eine Ökohochburg (Bhagwan!!), und im Kunstbetrieb war man sich über diese Dinge auch einig. Ich bin natural born "nachhaltig"*. Aber ich wollte es doch nochmal richtig wissen, es machten Ende der 10er Jahre plötzlich Zero Waste Läden auf und ich folgte auf Instagram einigen Leuten, die aufdeckten, was bergeweise in der Wüste rumliegt an Zeug, welches wir Westler nicht mehr haben wollen, und andere unverdauliche Fakten. Ich hatte ein schlechtes Gewissen bis zum Anschlag. Wegen was? Ich würde heute sagen: Weil mir suggeriert wurde, dass ich es haben sollte. Ich sollte vielleicht auch erwähnen, das dieses Experiment in der Hochphase der Zeit stattfand, in der man Kinder eingesperrt hat und Schulen geschlossen. Ich kenne niemanden, der in den Jahren nicht demoralisiert wurde.


Nichts Neues kaufen ging dann so: Ich habe auf Ebay Kleinanzeigen Klamotten gekauft, ungetragene Designerschuhe, und alles mögliche, was man sonst im Kaufhaus oder Fachhandel gekauft hätte (oder auf Amazon): einen Wasserkocher, Rührstäbe für meinen Mixer, irgendwann dann einen neuen Mixer, einen ganz bestimmten Mülleimer, der nicht mehr hergestellt wurde und der Plastikfrei war. Bücher gab´s von Medimops oder ZVAB. Was ich neu kaufen musste, habe ich nach langwierigen Recherchen von bestimmten 1000% nachhaltigen Firmen gekauft, Strumpfhosen zum Beispiel. Ich habe Zeug aus Zu-Verschenken-Kisten mitgenommen und auf dem Flohmarkt eingekauft sowie bei dem modernen Äquivalent der Emmaus-Brüder: bei Oxfam und anderen Charity-Shops. Die Nähmaschine meiner Oma wurde reaktiviert und aus alten Klamotten neue Dinge genäht und Sachen repariert, die, wenn man ehrlich ist, reif waren für die Tonne. Ich habe Olivenöl im „Ohne“ Laden in meine mitgebrachte Flasche gefüllt und geduldig auf die nächste Lieferung Basmatireis gewartet, die entweder nie angekommen ist, oder jemand hat den Reis kiloweise weggekauft, bevor ich wiederkam. Neulich war der Laden nicht mehr da.


Mein Fazit aus dieser etwa drei Jahren währenden Phase habe ich dann auf Instagram in einen Jubel-Post gepackt. Ich war wirklich überzeugt. Und völlig vernerdet. Ich brauchte wohl auch diese bestimmte Art von Bestätigung meiner „Community“, dass ich ein guter Mensch bin. Als würde das helfen gegen das obligatorische schlechte Gewissen des modernen Großstadtmenschen. Ein schlechtes Gewissen hat im Übrigen auch noch niemandem geholfen und kein Problem gelöst.


Ja, es geht. Man kann so leben. Wenn man endlos Zeit hat, sich gerne schlecht fühlt, sich selbst geringschätzt und nicht gern aus dem Vollen schöpft. Wenn man sehr arm ist. Wenn Selbstdeprivation einem Genugtuung gibt. 


Ich habe sehr gerne auf Instagram und mit Familie und Freunden geteilt, was für Schätzchen ich gefunden habe auf meinen diversen Baustellen. Ich konnte an keiner FOR FREE Kiste vorbeigehen. Es ist tatsächlich erstaunlich, was man findet, und wieviel Freude etwas auslösen kann, was andere wegwerfen und es euphemistisch „verschenken“ nennen. Downside: Ich kenne mehrere Häuser in meinem Viertel, vor denen täglich Müll „zu verschenken“ ist. Kaputter Ikeascheiss, löchrige Lumpen und zerfledderte Taschenbücher. Bei unseren „Wertstoffcontainern“ ein paar Strassen weiter (ein weiterer Euphemismus, ein Tetrapack ist kein Wertstoff sondern Müll, fällt unter Wish-cycling statt Re-cycling) ist ein Zu-Verschenken-Marktplatz, aber auch eine illegale Sperrmüll-Verklappungsstelle: Die Übergänge sind fließend.


Wichtig ist wie immer das Maß. Ich neige zu Extremen. Und das Ganze war deklariert als Experiment, wurde dann allerdings ein Selbstläufer. Von den Erfahrungen aus diesem Experiment habe ich einiges abgeleitet für mich, wovon ich den Eindruck habe, es könnte eine gewisse Allgemeingültigkeit darin liegen. Daher denke ich darüber nach, einige Dinge zu formulieren, die von der Einfachheit handeln. Vom Minimalismus. Aber auch von der Fülle, die im Minimalismus liegt. Mal sehen. Was auf jeden Fall formuliert werden soll, und deshalb heisst der Text verwirrenderweise Flohmarkt, sind ein paar nützliche Regeln zur Vermeidung von Fehlkäufen auf dem Flohmarkt.


* das Wort "nachhaltig" kann ich nur noch in scare quotes benutzen, die Art wie es buchstäblich für jede Ware, jede Verpackung, jede Vermarktung benutzt wird, macht es unbrauchbar.


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